Nach der Flut am Niger in Niamey, Niger, 29. Dezember 2012 | Foto: Gustave Deghilage | CC BY-NC-ND 2.0
Es ist kein Geheimnis mehr: Es gibt starke kausale Zusammenhänge zwischen Flucht, Migration und der Klimakrise. Dies spiegelt sich kaum in den Migrationsgesetzen der EU oder den Abkommen der UN wider, zumindest nicht in angemessener Weise. Das pauschale Labeln von sicheren Herkunftsländern ignoriert den Tatbestand Klimaflucht komplett. Wer dessen Existenz und die Bedrohung der Klimakrise negiert, verschließt sich möglichen Wegen, damit umzugehen. Vor allem der Globale Norden wäre hier aufgrund seiner historischen Klimaverantwortung aufgerufen. Zum Beispiel, indem er sich mit neokolonialen Landnahmen, seinem neo-extraktivistischen Begehren nach Ressourcen und billiger Arbeitskraft im Globalen Süden auseinandersetzt.
Es ist ein schmaler Grat, vor der Klimakrise zu warnen und dabei nicht in populistische Muster zu verfallen, die vor einer Massenmigration warnen, um nationalistische Politik zu stärken. Dieses Dossier beleuchtet die Multikausalität zwischen Klimakrise und Migration. Gleichzeitig appelliert es an die Klimabewegung und an die COP28, die am 30. November 2023 in Dubai beginnt, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Turn the Tide: Das gelingt nur - wie der südafrikanische Umwelt- und Menschenrechtsaktivist Kumi Naidoo es fasst - wenn der Werkzeugkasten im Klimakampf erweitert wird und Aktivismus mit politischer Aktionskunst die Betroffenen abholt und alle mobilisiert.
Editorial
Warum alle verhandeln und die Temperaturen dennoch steigen | von Martina Backes
Es fehlt ein Fahrplan für den Ausstieg aus fossilen Energien wie Gas, Kohle und Erdöl. Daher werden alle anderen Bemühungen im Umgang mit der Klimakrise ständig in fatalem Maße torpediert. Für Millionen Menschen bleibt die Klimakrise eine tödliche Gefahr, vor allem im Globalen Süden. Was ist vom Weltklimagipfel zu erwarten?
FAQ zu Klimaflucht und Migration
Klimakrise und Migration hängen zusammen. Komplex sind auch die rechtlichen Regelungen, Akteure und Institutionen, die Klimaflucht behandeln. Unser FAQ gibt einen Überblick im Dickicht der Begriffe und Definitionen.
Interview mit Kumi Naidoo
Als Klimaaktivist, ehemaliger Chef von Greenpeace und Amnesty international, stellte Kumi Naidoo sowohl Menschenrechte als auch Umweltfragen über Jahre ins Zentrum seines Aktivismus. Derzeit konzentriert er sich darauf, politische Aktionskunst als Kommunikationsmittel voranzubringen. Der südnordfunk sprach mit dem südafrikanischen Rechts- und Politikwissenschaftler über Klimakommunikation und zivilen Ungehorsam.
Was ist falsch an der klimabedingten Migrationsdebatte der EU? | von Julia Reiff und Lennart Deilmann
Immer häufiger wird die Klimakrise der Anlass für Flucht und Migration. Anerkannt als legitimer Fluchtgrund wird sie bei der Suche der Geflüchteten nach Schutz in aller Regel nicht. Die EU kennt keinen verbrieften Schutz für Klimaflüchtlinge. Das fällt zusammen mit einem Narrativ, das die Betroffenen im Opferstatus hält oder die von ihnen genutzte Bewegungsfreiheit auf der Suche nach einem sicheren Ort als Argument für eine nationalistische Abschottungspolitik nutzt. In beiden Fällen werden die betroffenen Menschen diskursiv entmenschlicht. In beiden Fällen wird von der Verantwortung des Nordens abgelenkt. Doch das Narrativ bröckelt.
Klimawandel und Migration im Sahel | von Lars Springfeld
Der Sahel ist ökologisch fragil, und mit der Erosion fruchtbarer Böden wird die Bevölkerung immer verwundbarer. Der eskalierende Klimawandel verschärft die Lage ebenso wie die politische Instabilität. Die befürchtete millionenfache Migration nach Europa ist dennoch ein unbegründetes Bedrohungsszenario, denn Klimaflucht ist keine kollektive Antwort.
Die EU möchte mit dem Gesetz für kritische Rohstoffe die Energiewende fördern | von Michael Reckordt
Der Abbau von Rohstoffen ist meist nur mit enormen ökologischen und sozialen Folgen machbar. Für die europäischen Klimaschutzziele und die Energiewende sind sie jedoch unabdingbar. Doch wie viel Bergbau ist gerecht? Das neue EU-Gesetz zu kritischen Rohstoffen stellt nun die Weichen für die Zukunft der Rohstoffpolitik. Was bedeutet das für die rohstoffreichen Länder des Globalen Südens? Und hilft das überhaupt dem Klima?
Interview mit der Eine-Welt-Promotorin Sylvia Holzhäuer-Ruprecht
Mit jeder Folge der Klimakrise wird die Abhängigkeit ärmerer Länder vom Geld der Industriestaaten betont. Die Bilder von fliehenden Menschen und die Spendenaufrufe machen unsichtbar, dass eigentlich die europäischen Länder von den Ressourcen des Globalen Südens abhängig sind. Ohne sie wird der Globale Norden keine Energiewende schaffen. Im Interview erläutert Sylvia Holzhäuer-Ruprecht, warum koloniale Narrative in der Klimakrise so wirksam sind – und wie Migration und Klimaflucht zusammenhängen.
Audiobeiträge rund um Klimakrise, Migration, Vertreibung und Klimaaktivismus
Im Dossier findet ihr zudem eine Reihe von Audiobeiträgen aus dem südnordfunk rund um das Thema des Dossiers. Der Klick auf den Playbutton führt euch auf unsere Website zum Audioplayer - zudem kann das Skript nachgelesen werden.